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Das Austro-American Conservatory in Mondsee

Andreas Maderecker MA und MAG. Thomas Weismann


„Der ganze Markt glich einer einzigen großen Musikschule, …“, so beschrieb Herta Awecker den Umstand, dass Mondsee in den Sommermonaten von 1929 bis 1933 zu einem internationalen Zentrum der Musikpädagogik wurde.1 Dafür verantwortlich war ein ehrgeiziges Projekt, dass unter dem Namen „Austro-American Conservatory“, kurz AAC, oder „Hochschulkurse für Musik und Bühnenkunst in Mondsee“, Professoren und Studenten aus verschiedenen Ländern in den Ort lockte. Diese meist achtwöchigen Sommerkurse für Instrumentalunterricht, Gesang, Tanz und Malerei leisteten in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit einen wichtigen Beitrag für Kultur und Tourismus in der Region.

 

Die Funde neuer Quellen und intensive Forschungstätigkeit ermöglichen es, einen genaueren Einblick in die Arbeit des Austro-American Conservatory zu geben und dadurch einen zu Unrecht vernachlässigten Bereich der Mondseer Kulturgeschichte wieder in Erinnerung zu rufen. Ziel dieses Artikels ist es daher, einen ersten Überblick über diese Sommerkurse zu geben. Zudem werden in weiteren Artikeln verschiedene am AAC beteiligte Personen vorgestellt und Bereiche wie Wirtschaft und Alltag in Mondsee zu dieser Zeit, genauer beleuchtet.

 

Der feierlichen Eröffnung der Kurse am Abend des 15. Juli 1929 in der Villa Uhl, ging ein Jahr intensiver Organisationstätigkeit der Gründungsmitglieder des AAC voraus. Als großes Vorbild diente dabei das American Conservatory in Fontainebleau, welches nach dem Ende des 1. Weltkrieges auf kultureller Ebene dazu beitragen sollte, die Beziehungen zwischen den verschiedenen Ländern zu festigen. Vorbildwirkung hatten mit Sicherheit auch die Austro-Amerikanische Hochschulkurse der Universität Wien und die Internationalen Sommerkurse der Stiftung Mozarteum in Salzburg.2 Somit war das AAC zu seiner Zeit eine von mehreren europäischen Institutionen, die Sommerkurse für ausländische Studierende anbot. Bemerkenswert sind jedoch die kurze Anlaufzeit und der Umstand, dass man von Beginn an in der obersten Liga der internationalen Sommerkurse mitspielte. Bereits im ersten Jahr konnten für Mondsee unter anderem Persönlichkeiten wie Otakar Ševčík (Violine), Paul Weingarten (Klavier), Theo Lierhammer (Gesang) oder Richard Specht (Musikgeschichte) gewonnen werden. In späteren Jahren finden sich der Komponist Béla Bartók, die Pianistin Rosina Lhévinne, der Schriftsteller Paul Stefan oder der Schönbergschüler Paul Pisk in der Liste der Lehrenden.

 

Warum entschied man sich jedoch ausgerechnet für Mondsee als Sitz des AAC? Ausschlaggebend war mit Sicherheit die Nähe zu Salzburg. Vor allem die Salzburger Festspiele, welche zur selben Zeit stattfanden, genossen in den USA ein hohes Ansehen und waren von Mondsee aus innerhalb einer Stunde erreichbar. Auch Bayreuth und die Festspiele in Oberammergau lagen in Reichweite und boten weitere kulturelle Ereignisse. Durch die Salzkammergut-Lokalbahn bestand zudem eine direkte Verbindung zwischen Bad Ischl und Salzburg. Ein Werbefolder von 1933 bezeichnete Mondsee daher als „heart of an excursion paradise“.3 Man betrachtete die amerikanischen Studenten als sportbegeisterte Touristen und bewarb die Lage am See und die Berge, die zum Wandern einluden. Ein weiterer Grund, das AAC in Mondsee zu verwirklichen, war die relative Abgeschlossenheit des Ortes. Man wollte vermeiden, dass sich die Studenten und Professoren in der freien Zeit verstreuten, wie es in einer größeren Stadt leicht möglich gewesen wäre. Zudem sah der Besitzer von Schloss Mondsee, Otto Almeida, in dem Projekt eine Chance, den Tourismus in der Region zu fördern und auch die Gemeinde zeigte sich interessiert.4

 

Wer waren nun die Personen, die in Mondsee internationale Sommerkurse für Musikstudenten ins Leben riefen? Es handelte sich dabei vor allem um die an der Universität Redlands in Kalifornien unterrichtende Katherine B. Peeples, den Mondseer

Professoren und Studenten des Austro-American Conservatory im Schloss Mondsee (1929) vor der Amerikanischen und Österreichischen Flagge. Am Tischende sitzt in der Mitte Katherine B. Peeples. Auf der rechten Seite, mit den Händen auf dem Tisch, sitzt der Pianist Paul Weingarten. © Heimatbund Mondseeland

Oberförster Josef Streicher, sowie die Wiener Musiklehrer Hans Jüllig und Margarete Kolbe-Jüllig. Hinzu kam noch der Komponist Wilhelm Kienzl, den man als Ehrenpräsident für das ehrgeizige Projekt gewinnen konnte. Die Frage, wie und wo sie sich kennengelernt haben, lässt sich leider noch nicht vollständig beantworten. Die ursprüngliche Idee zu den Kursen hatte jedoch Katherine B. Peeples während ihres Klavierstudiums 1926 bis 1928 in Wien bei Emil von Sauer und Cesia Kaufler. Dort konnte sie wahrscheinlich auch erste Kontakte in die österreichische Musikszene knüpfen. Mit einer großen Portion Idealismus, den auch die anderen Gründer teilten, ging man schließlich an die Umsetzung der Idee.

 

Es sei an dieser Stelle erinnert, wie aufwendig die Organisationstätigkeit zu dieser Zeit noch war. Das Büro in Österreich befand sich in Wien und wurde von Hans Jüllig geleitet und in den USA gab es sogar zwei Büros, ein „eastern office“ in Philadelphia und ein „western office“ in Los Angeles. Kommuniziert wurde hauptsächlich mittels Brief und Telegramm, eine Fahrt über den Atlantik mit dem Dampfschiff dauerte immerhin noch zwei Wochen. Zudem waren viele der Künstler und Pädagogen auf Reisen und nur schwer zu erreichen.

 

Katherine B. Peeples machte in den USA Werbung für das AAC und nutzte ihre gesellschaftlichen Kontakte, um mögliche finanzielle Förderer zu gewinnen. Später holte sie sich Unterstützung von Robert Lee Humber und William H. Stephenson. Letzterer war ihr Cousin und dieser gründete 1933 auch das „Institute of world affairs“ im Mondsee. In Österreich kümmerte sich Hans Jüllig als Generalsekretär um die Organisation des AAC. Er verhandelte unter anderem mit den Künstlern, der Gemeinde Mondsee oder den Vermietern. Die Art und Weise, wie er diese Geschäfte führte, dürfte jedoch zu großen Spannungen innerhalb der Leitung des AAC geführt haben. In kurzer Zeit hatte er Katherine B. Peeples, Josef Streicher und Otto Almeida gegen sich aufgebracht. Nach seinem Ausscheiden aus der AAC Leitung übernahm Fritz Krombholz, der Leiter einer Konzertagentur, die Stelle des Generalsekretärs. Bedeutend für die weitere Entwicklung war Artie Mason Carter, die „mother of the hollywood bowl“. Sie nutzte ihre hervorragenden Kontakte dazu, Persönlichkeiten wie Béla Bartók, Imre Weishaus oder das Roth Quartett nach Mondsee zu holen.

 

Probleme bereitete von Beginn an die Finanzierung. Die Grundidee bestand darin, amerikanische Investoren als Geldgeber zu gewinnen und später auch die österreichische Regierung mit ins Boot zu holen. Streitereien, ob man das Geld besser in den USA oder in Österreich verwenden sollte, lassen jedoch darauf schließen, dass es nicht im Übermaß vorhanden war. Die erste Saison schloss mit einem Defizit von 20.000 Schilling, worauf man im Oktober 1929 einen „Verein der Freunde der Austro-Amerikanischen Sommerkurse“ ins Leben rief. Parallel zu den finanziellen Schwierigkeiten, welche durch die gesamte Zeit des Bestehens vorhanden waren, gab es von Beginn an interne Konflikte bei der Organisation der Kurse, zudem wusste man häufig nicht genau, wie viele Studenten letztendlich wirklich in Mondsee eintreffen werden. Problematisch gestaltete sich auch die Namensgebung, was sich in den vielen verschiedenen Namen für die Kurse wiederspiegelt. Man suchte einen werbeträchtigen Titel, der die Ambitionen der Kursleitung repräsentierte, jedoch dürfte es von behördlicher Seite eine gewisse ablehnende Haltung gegeben haben. Der Schriftsteller und Musikkritiker Paul Stefan formulierte es folgendermaßen: „… das einzige was unsere Regierung für Mondsee bisher getan hat, war, dass ein Verbot erlassen wurde, den Titel Konservatorium zu führen.“5 Man einigte sich jedoch auf die durchaus österreichische Lösung, dass man den englischen Titel eines „conservatory“ führen durfte. Auch Josef Streicher äußerte sich zum Problem der Namensgebung und forderte einen für die Kurse angemessenen Namen:

 

„Ich nehme an, dass das Wort ‚Musikkurse‘ in jedem Leser den gleichen Geschmack erzeugt: Nähkurse, Kochkurse etc. etc. Musik ist auch ein Landler oder Neubayrischer; das Wort Musik gibt keinen Grad. Das Wort Hochschulkurse bedeutet einen Grad. Die kurze Dauer und der Grad, die Qualität des Unterrichtes sind im Wort Sommer- Akademie enthalten. Kein scharf Fordernder wird in Mondsee weniger finden, als eine Sommer-Akademie!!!! Ich bitte, die Lehrer anzusehen. Man soll, ich bitte, nicht unnütz Schaden anrichten, indem man negativ handelnd, in allen Gesetzen und Erlässen sucht, bis man nur den Friesierkurs erlauben kann.“6
Welche Ziele verfolgte man nun mit dem AAC?
Im Nachlass von Josef Streicher befinden sich mehrere Dokumente, die Auskunft über die Grundideen zur Ausgestaltung des AAC geben. Unter anderem heißt es: „In Deutschland entwickelt sich
der Lebensstil aus der Technik (Bauhaus Dessau),
in Österreich soll er durch die Mentalität des Österreichers aus der Musik entstehen (H. S. K. Mondsee). Aus der Musik soll sich jede andere Kunst in Österreich entwickeln. Also ist Musik das Zentrum.“ 7 In einem anderen Dokument definierte man drei Punkte als Ziele des AAC:
  • Die Heranbildung Studierender in ihrem Kunstfache und die Erziehung derselben zu dem neuen Geiste, der in der Abschaffung von Grenzen als Schranken besteht.
  • Austausch des jüngsten Fortschrittes, der auf den verschiedenen Fachgebieten in den verschiedenen Ländern stattgefunden hat und stattfindet.
  • Persönlicher Kontakt zwischen dem schaffenden und dem ausübenden Künstler.8



 

Das Interessante Blatt, 15. August 1929


Betrachtet man die weitere politische Entwicklung der nächsten Jahre, erscheinen diese Ziele umso beeindruckender. Das Unterrichtsangebot in Mondsee war breit gestreut und reichte von eher konservativen bis hin zu modernsten Tendenzen in der Musik. So konnten die Studenten Eindrücke der Österreichischen Musiktradition sammeln und zugleich an modernen Entwicklungen der europäischen Musikszene teilhaben, da es kein eigenes Gebäude für das AAC in Mondsee gab, mussten der Unterricht und die Konzerte in verschiedenen Räumlichkeiten abgehalten werden. Unterrichtet wurde in den Klassenzimmern der Volksschule, die für die Sommermonate angemietet wurden, und den Räumen des Schlosses. Konzerte fanden im Kinosaal, in welchem zeitweise auch geübt wurde, und im Festsaal oder dem Garten des Schlosses statt. Studenten wohnten im Schloss, in der Villa Uhl, im Haus des Sodawasser-Erzeugers Josef Grubinger und anderen Bürgerhäusern. Die Professoren und Gäste wurden im Schloss und Hotels wie dem Königsbad untergebracht. Im Haus von Josef Streicher, dem ehemaligen Pflegerhaus, befand sich auch eine Ausspeisung für die Studenten. Die Leitung des AAC hatte jedoch größeres im Sinn und man plante das AAC in einem repräsentativen Bau unterzubringen. Für die Realisierung dieses Projekts stellte man mehrere Überlegungen an. So hätte Otto Almeida den zweiten Stock seines Schlosses zur Verfügung gestellt, jedoch mit der Bedingung, dass die Kosten für den Umbau vom AAC getragen werden. Eine weitere Vision bestand darin, auf der Seewiese mehrere Gebäude für das AAC zu errichten, wofür der Wiener Architekt Alfred Chalusch bereits Pläne anfertigte. Man dachte auch daran, das Oberförsterhaus entsprechend umzubauen. All diese Pläne scheiterten letztendlich an der wirtschaftlichen Realität und 1934 kamen schließlich keine Kurse mehr zustande.

 


Die Autoren würden sich über weitere Informationen, Fotografien, Konzertprogramme etc. aus der Bevölkerung freuen. (Tel. 0664/6428128)


Quellen

1 Awecker, Herta: Mondsee-Markt, Kloster, Land. Mondsee 1952. S. 119.

2 Maderecker, Andreas: Das Austro-American Conservatory in Mondsee. Salzburg 2015. S. 6-8. 3 Ebenda. S. 16-18. 4 Werbefolder des AAC 1933. zit. n. Kunze, Walter: Erinnerungen an das kulturelle Leben 1929-1933 in Schloss und Ort Mondsee. Mondsee 1987. S. 23. 5 Stefan, Paul: Das war der letzte Sommer. Wien 1946. S. 211. 6 Nachlass Josef Streicher: VII/6, Namensgebung. 7 Ebenda. IV/6, Anfänge. 8 Ebenda. IV/5, Anfänge.

 

Weiterführende Literatur

Maderecker, Andreas: Das Austro-American Conservatory in Mondsee. Masterarbeit Uni Mozarteum.
Salzburg 2015.
Kunze, Walter: Erinnerungen an das kulturelle Leben 1929-1933 im Schloss und Ort Mondsee.
Mondsee 1987.